Twin Oaks Community

Twin Oaks Community is hosting its first Queer Gathering
<http://twinoaksqueergathering.org/> August 4 - 6, 2017 *

Join us for a weekend of queertranstastic fun, learning, workshops,
networking, revelry, and more! This is our first year hosting the
Queer Gathering at Twin Oaks Community in rural central Virginia, and
we invite you to come participate as an attendee, workshop presenter,
and/or performer. The gathering will be a safe and supportive camping
event for queer folks and allies of all ages to come together, share
skills, make art, build community, dance, and organize.



MfG, Karl Dietz
blog.karldietz.de
twitter.com/karldietz



>> Aus CONTRASTE Nr. 257 (Februar 2006, Schwerpunktthema)
>>
>> EIN BESUCH IN TWIN OAKS
>> It isn't Utopia yet
>>
>> Die Kommune Twin Oaks wurde 1967 auf einer ehemaligen Tabakfarm in
>> Louisa County, Virginia, USA gegruendet. Derzeit leben dort ca. 85
>> Erwachsene und 15 Kinder auf etwa 180 ha Land. Fuer die meisten
>> Beduerfnisse des Lebens einschliesslich Gesundheit und einigen Luxus
>> sorgt die Gemeinschaft. Fuer Zigaretten, Alkohol, Schokolade und
>> aehnlich Unentbehrliches gibt es fuer alle 70 Dollar im Monat,
>> "Allowance" genannt. Alle arbeiten und wohnen auf der Farm in "Small
>> Living Groups" in den sechs Wohnhaeusern. Daneben gibt es ein Lagerhaus,
>> Bueros, Werkstaetten, Scheunen und Staelle sowie eine Saunahuette.
>>
>>
>> Lorenz Glatz, Wien - Ein Gutteil der Lebensmittel stammt aus eigener
>> Produktion, einiges von anderen Communities, was man sonst noch braucht,
>> wird nach
>> Moeglichkeit gedumpsert (Abholen von Sachen, die Geschaefte oder
>> Fabriken umsonst abgeben) oder lokal eingekauft. Geld wird mit der
>> Produktion und dem Verkauf von Haengematten, Tofu und mit dem Erstellen
>> von Stichwortverzeichnissen fuer Publikationen per Computer verdient.
>> Zusammenarbeit mit anderen
>> Kommunen in der Federation of Egalitarian Communities (FEC) und in der
>> Fellowship for Intentional Community (FIC). Von Twinoakern wurden im
>> Lauf der
>> Jahre zwei weitere Kommunen gegruendet: "East Wind" in Missouri und
>> "Acorn" ganz in der Naehe.
>>
>>
>> Freiraum
>>
>> Wer einen Blick hinter die Homepage der Kommune von Twinoaks wirft,
>> findet im Quelltext die "Keywords", unter welche die Suchmaschinen die
>> Community einreihen sollen: radical dreamers, utopia, new radicals,
>> hippies, b.f. skinner, alternative energy, environment, sixties,
>> culture, polyamory, age of aquarius, feminism, homeschooling, socialism,
>> Tofu, coop, communitarianism, tempeh, hammock, permaculture, radical
>> feminism, skinner, intentional communities, walden two, communal living,
>> vegetarian. Waere die Aufzaehlung nicht dem Webmaster ueberlassen,
>> sondern Gegenstand eines Gespraechs gewesen, stuenden hier vermutlich
>> noch eine Reihe weiterer Begriffe: sehr wahrscheinlich "egalitarianism"
>> und "nonviolence", aber auch "sustainability, ecovillage, communards,
>> indexing, organic food".
>> Schon das letzte ist eine widerspruechliche Sache, wo hier doch
>> Fleischesser (samt zugehoerigem Vieh) mit Vegetariern und Veganern
>> zusammenleben. Auch anderes geht nicht leicht unter einen Hut: Ich habe
>> mit einem Marxisten ueber sozialistische Hoffnungen gesprochen, mit
>> einer Quakerin Latein gelernt, mit einer Katholikin ueber den neuen
>> Papst geredet, mich ueber die Philosophie Paul Feyerabends unterrichten
>> lassen, mit einem Darwinisten gestritten und auch sehr esoterisch
>> angehauchte Leute getroffen. "Cooperation, sharing, nonviolence,
>> equality, and ecology", wie die Homepage die Werte der Gemeinschaft
>> definiert, sind offenbar die gemeinsame Antwort auf verschiedene, teils
>> einander widersprechende Fragen und Anliegen. Diese widerspruechliche
>> Einheit verleiht dem Leben der Gemeinschaft einerseits etwas Fragiles
>> und Unzufriedenes, anderseits bedeutet aber diese Differenz in der
>> Uebereinstimmung unterschiedliche Verletzbarkeit und ist
>> wohl ein Grund dafuer, dass die Kommune schon fast vierzig Jahre alle
>> Schwierigkeiten ueberlebt hat. Sie ist nicht Utopia, weder im Wortsinn
>> eines "Nicht-Ortes"
>> noch im uebertragenen Sinn eines der Wirklichkeit uebergestuelpten
>> Ideals. Sie ist eher ein Freiraum fuer Unterschiedliches und doch eine
>> sehr deutlich von "the
>> outer world" unterschiedene Community.
>>
>> Zhankoye
>>
>> Halb acht: Die sich eben Fruehstueck machen, haben noch Bettschwere im
>> Gesicht. Zhankoye ist das Zentralgebaeude mit grosser Kueche, Vorrats-
>> und Kuehlraeumen und viel Platz fuer Tische und Stuehle, mit einem
>> Kinderessraum und Spielzeug, einem Zeitschriftenraum, wo zugleich die
>> Faecher der Bewohner fuer Post und andere persoenliche Mitteilungen zu
>> finden sind. Auch die Tafel fuer die kleinen Zettel haengt hier, auf
>> denen eins der Community mitteilt, dass man abends die Sauna zu heizen
>> gedenkt, die Tofu-Schicht letzte Nacht erstmals nur aus Frauen bestand,
>> dass einen etwas fuerchterlich geaergert oder sehr gefreut hat, ein
>> neuer Manager fuer eine der vielen work-areas gesucht wird usw.usf. Auch
>> das "O and I-Board" (opinion and idea) findet sich da, eine Stellwand,
>> an der Blaetter im Letter-Format mit Mitteilungen und
>> Diskussionsbeitraegen zu Themen haengen, die die Community gerade
>> bewegen. Im Augenblick wird zur gleichen Zeit ueber die Erziehung der
>> Kinder und die Pflege der Alten debattiert. Das Letztere hat das
>> aelteste Mitglied zum Thema gemacht. Wer nach Zhankoye kommt, isst nicht
>> bloss,
>> trinkt und tratscht, er und sie lesen auch nach, was so laeuft auf der
>> Farm. Und warum heisst der Bau Zhankoye? Weil er wie die meisten anderen
>> den Namen einer historischen Kommune traegt, und Zhankoye war eine
>> juedische im zaristischen Russland.
>>
>>
>> Kaffee ist derzeit Privatsache. Da gerade der Hauptkunde fuer die
>> Haengemattenproduktion ausgefallen ist, herrscht Austerity und Kaffee
>> steht nicht mehr auf der kommunalen Einkaufsliste. Kraeutertees stehen
>> aus eigener Produktion in reicher Varietaet zur Verfuegung, viele
>> Fruehaufsteher greifen aber verschlafen zu den eher
>> geschmacklosen Lipton-Teebeuteln. Das Brot ist selbstgebacken, die
>> Donuts gedumpstert, die Erdnussbutter das Erzeugnis einer anderen
>> Kommune, mit der man
>> zusammenarbeitet. Was hier aus eigener Erzeugung zu Fruehstueck,
>> Mittagessen und Abendmahl auf den Tisch kommt, ist "organic food" bester
>> Qualitaet,
>> stofflicher Reichtum inmitten monetaerer Armut.
>>
>> Taetigkeit und Arbeit
>>
>> Wer um diese Zeit schon beim Fruehstueck sitzt, hat meist einen Termin
>> in seinem Arbeitsblatt stehen. Die Tofu-Produktion, die meiste
>> Gartenarbeit, das Kochen
>> fuer Mittag- und Abendessen und aehnliches brauchen ein Team, andere
>> Taetigkeiten wie Teile der Bueroarbeit haben einen Stundenplan.
>> Haengematten herstellen
>> kann man hingegen jederzeit mit anderen oder mutterseelenallein, auch
>> das Putzen der Gemeinschaftsraeume kann sich eins selber einteilen. Was
>> die "Labor assigner" auf das Arbeitsblatt geschrieben haben, entspricht
>> meist dem, was eins selber dort als Wunsch eingetragen hat. Die
>> Praeferenzen sind erfahrungsgemaess so weit gestreut, dass alle im
>> wesentlichen das machen, was sie fuer zutraeglich halten, nur beim
>> Kuecheputzen muss jede(r) einmal ran. Meist gibt es eine 43
>> Stunden-Woche, manchmal ist die Arbeitszeit kuerzer. Und ab 49
>> Lebensjahren gibt es jedes Jahr eine Stunde weniger Verpflichtung. Pro
>> Stunde wird ein "labor credit" verbucht, gleich was die Taetigkeit ist.
>> Es gibt keine Anfahrtszeiten, man geht meist nach Zhankoye essen und wer
>> gern kocht, tut das dort fuer alle, auch wenn natuerlich manche auch
>> einmal fuer einen kleinen Kreis im Wohnhaus kochen. Auch Waeschewaschen
>> erfolgt zum Teil kommunal. Ueberhaupt ist fast jede Taetigkeit fuer die
>> Gemeinschaft zumindest zum Teil "credit"-wuerdig, ob das Unterrichten
>> von Fremdsprachen, Spielen in einer der Bands oder das Schreiben eines
>> Artikels. Auch gesellschaftliches und politisches Engagement von
>> Twinoakern (die Community als solche aeussert sich nicht zu politischen
>> Streitfragen) kann als "movement support" credits bringen - ich war auf
>> diese Weise in Richmond fuer eine Armenkueche Tofu bringen, Gemuese
>> schnipseln und im Park Essen verteilen. Im Widerstand gegen ein lokales
>> AKW, bei vielfaeltigen Aktionen gegen die Politik der Regierung, aber
>> auch bei der Organisation eines jaehrlichen Kommunentreffens usw. sind
>> Twinoaker oft fuehrend beteiligt - und koennen das z.T. als "labor
>> credit" verbuchen. Bloss das Putzen und Ausgestalten des Zimmers, das
>> jedes Member hat, bleibt privat.
>>
>> Grundsaetzlich ist das Labor-System von der im "Mainstream"
>> allgegenwaertigen Arbeitspflicht gepraegt. Der Unterschied ist aber im
>> Detail beachtlich. Fuers Zusammenleben unmittelbar sinnvolle
>> Taetigkeiten wie Hausbau, und -reparatur, die Pflege der Gaerten und des
>> Viehs, Kochen und mit Kindern spielen nehmen breiten Raum ein. Der
>> "labor exchange" zwischen dem Dutzend Kommunen der FEC schafft die
>> Moeglichkeit, zeitweise auch einmal anderswo zu leben und zu werken.
>> Was und wie viel jemand die Woche ueber tatsaechlich gearbeitet hat,
>> traegt man selber ein. Kontrolle fehlt. Es ist Vertrauenssache. Eine
>> Disziplinargewalt der Bereichs-"Manager" gibt es nicht, man kann niemand
>> feuern oder sonst wie auf die Schnelle disziplinieren. Ob man
>> arbeitsfaehig ist, entscheidet man selber. Das
>> Arbeitstempo ist daher noch ganz menschlich und, so berichtet man stolz,
>> die Leute sind viel seltener krank in Twin Oaks. Was sicher wirkt, ist
>> emotionale und moralische Verbundenheit mit den anderen - und die
>> "soziale Kontrolle". Die mental-destruktiven Folgen davon, dass alle
>> Taetigkeiten in labor-credits gemessen werden, sind aber durchaus
>> wirksam. - "How many Twin Oakers does it take to screw in a light bulb?
>> It depends - is it labor-accreditable?", witzelt man selbstironisch auf
>> der Farm. Dass aus der Community ausgeschlossen wird, wer mit seinen
>> Stunden ueber laengere Zeit "under-quota" ist, hat vor einigen Jahren
>> einen Selbstmord ausgeloest, der die Menschen schwer erschuettert hat
>> und eine Reihe von entschaerfenden Hilfsmassnahmen im Arbeitsregime nach
>> sich gezogen hat. Von der freien Taetigkeit freier Menschen in einer
>> freien Gemeinschaft ist das System aber noch weit entfernt, die Menschen
>> sind von der herrschenden Gesellschaft, aus der sie kommen, gepraegt.
>> Das Bewusstsein, dass jeder sich selbst der Naechste sei und wer gern
>> fuer andere taetig ist, stets ausgenuetzt werde, wird nicht am Eingang
>> der Farm abgelegt. Die Nachbarkommune "Acorn" versuchte es ohne
>> Labor-Regime und ist schliesslich doch zu einer milderen Variante dieses
>> Systems zurueckgekehrt. Auch in einer grossen Kommune wie Twin Oaks
>> faellt immerhin beinahe die Haelfte aller Arbeitsstunden in den "income
>> earning areas" an, sind also den Zwaengen des Markts ausgesetzt, wo es
>> nicht darum geht, Sinnvolles zu tun und gut zu leben, sondern
>> konkurrenzfaehig zu arbeiten und sich auf Kauf und Verkauf zu verstehen.
>>
>>
>> Kommunismus, Konsum und Genuss
>>
>> Im inneren Umgang sind der Konkurrenz allerdings enge Grenzen gesetzt.
>> Auch die erfolgreichsten Business-Keiler haben den gleichen Zugang zu
>> den Ressourcen
>> und Annehmlichkeiten der Community wie alle anderen. Selbst fuer die
>> Ausstattung der Privatzimmer gilt, dass "neiderweckende" Dinge zu
>> vermeiden sind. Dieser Egalitarismus schafft im Musterland des
>> Neoliberalismus ueberraschenderweise Steuervorteile. Eine Bestimmung,
>> die im 19. Jh. fuer die christlich-kommunistische Gemeinschaft der
>> Shaker erlassen wurde, ist fuer Twin Oaks ungemein guenstig.
>> Paradoxerweise wirkt damit ausgerechnet das Steuerrecht allen
>> Privatisierungstendenzen entgegen. Private Fahrraeder sind allerdings in
>> Gebrauch; man fragt sich, ob der schrottige Zustand der kommunalen
>> Drahtesel die Ursache oder die Folge davon ist. Geld, Gueter und
>> monetaere Ansprueche aus Versicherungen, Aktien, Renten aus dem
>> "Vorleben" bleiben zwar im Eigentum der Kommunarden, jegliches Einkommen
>> aber, das daraus fliesst, geht an die Community. Lohnarbeit ausserhalb
>> der Farm gibt es nur als "vacation earning", das Geld darf nur
>> ausserhalb von Twin Oaks ausgegeben und die damit gekauften Waren
>> konsumiert werden. Urlaub gibt es magere zweieinhalb Wochen, allerdings
>> werden sie meist durch die Gutschrift von "over quota"-Arbeit
>> verlaengert. Urlaubsguthaben koennen auch verschenkt werden. Manche
>> verwenden ihre Credits fuer laengere Reisen, manche aber verlassen die
>> Farm nur selten. Urlaub nimmt man sich, wann immer eins will, eventuell
>> auch gleich heute noch ein paar Stunden, weil wir
>> noch weiter diskutieren wollen oder sonst was Schoeneres zu tun haben.
>> Bloss: Andere haengen zu lassen, schafft boeses Blut.
>>
>> Das Konsumniveau in Twin Oaks ist marktwirtschaftlich verantwortungslos,
>> die Lebensweise des "work, buy, consume, die" hat hier einige tiefe
>> Dellen. Fernsehen ist verbannt, Handys ebenso! Fuer die hundert Leute
>> gibt es ein gutes Dutzend Autos, wer aber statt mit dem Pkw mit dem
>> Fahrdienst im Kleinbus in die Stadt faehrt, bekommt eine kleine
>> Gutschrift. Kleidung ist meist second hand, auch Computer, Fahrraeder
>> und alles sonst, das bei anderen von Mode oder Prestige entwertet ist
>> oder zu viel wird, weil man sich durch Kaufen fuers entgangene Leben
>> entschaedigen muss. In der Kommune hebt man den oekologischen Aspekt
>> dieser Praxis hervor und erwaehnt dabei auch gern noch die vielfaeltigen
>> anderen Massnahmen eines "Ecovillage". Die Sache hat aber auch einen
>> immens kulturellen Aspekt. Weniger Konsum putzt das Hirn, allein schon
>> die Abwesenheit von TV und Mode hebt das Niveau des Tischgespraechs
>> ungemein. Dass da sachkundig ueber Literatur und Philosophie diskutiert
>> wird, habe ich "in der Welt draussen" selten erlebt. Ein beilaeufiges
>> Gespraech ueber Aggression, Konrad Lorenz und
>> Erich Fromm bei der Arbeit an den Haengematten wird am naechsten Tag
>> fortgesetzt - einer hat am Abend im Internet gleich noch nachgelesen.
>>
>> Der Towntrip nach Charlotteville hat seinen Sammelpunkt vor der
>> Stadtbibliothek, die fuer ein paar Leute auch schon das erste Ziel ist.
>> Fuer einen anderen ist es
>> die Universitaetsbibliothek. Dieser philosophieinteressierte Kommunarde
>> gehoert aber zur Minderheit derer, die nie an einem College waren. (Twin
>> Oaks ist eine
>> Mittelklassencommunity mit ihren blinden Flecken, die von manchen heftig
>> diskutiert werden.) Ein junges Paar laedt mich in ein recht alternatives
>> Teehaus ein,
>> fuer das sie sich mit Hula-Reifen und Banjo in der Fussgaengerzone ein
>> paar Dollar "vacation earning" eingespielt haben. In Richmond sind wir
>> sonntags mit dem
>> Pkw durch die Gegend geduest, die Jungen haben mit Bekannten aus der
>> Stadt herumgebloedelt und vergeblich bei einer Schokoladefabrik was zu
>> dumpstern versucht. Ein aelterer Kommunarde sieht den Zug mancher Jungen
>> zum "hang out" in der Stadt mit Missvergnuegen, die Community soll nicht
>> zur Schlafstadt werden. Andererseits beruht aber auf den Stadt-Trips der
>> Twinoaker ein Teil der Einbindung der Kommune in die Umgebung. Auf der
>> Farm selber gibt es eine Klezmer- und eine Rock-Band. Letztes Fruehjahr
>> wurde von zwei Dutzend Leuten "Cabaret" einstudiert und aufgefuehrt,
>> auch in der Stadt. Die Sauna wurde zu meiner Besuchszeit (und auf mein
>> Betreiben) haeufig geheizt, es gab Parties, Kinobetrieb mit Videobeamer,
>> jede Menge "Socializing" und im Courtyard wurde opulent, pittoresk und
>> musikalisch ein Geburtstag gefeiert. Die Haengematten, die im Wald
>> verstreut zu finden sind, waren Anfang April noch wenig frequentiert
>> und im grossen Schwimmteich sind wir nur gewesen, wenn wir vorher in der
>> Sauna waren. Aber der Sternenhimmel ueber Schwitzhuette, Teich und Wald
>> ist dank
>> der spaerlichen Beleuchtung auf der Farm eine wahre Pracht.
>>
>>
>> Zusammenleben - Kinder
>>
>> Zusammenleben in einer community ist fuer im "Mainstream" Sozialisierte
>> eine frei gewaehlte Zumutung. Was man tut, betrifft auch andere, und
>> wenn man nur ein Bild im Wohnzimmer umhaengt. Die entstehenden Probleme
>> sind nicht im Griff, ist in einer der zahlreichen Informationstreffen zu
>> hoeren, deren Besuch auch auf dem Arbeitsblatt der "Visitors" steht, die
>> drei Wochen auf der Farm leben und mitarbeiten. Die Kommunarden, die da
>> vortragen, bemuehen sich kaum, die Gemeinschaft in rosigem Licht zu
>> zeichnen. Schliesslich kommt ein Grossteil der Besucher, weil er sich
>> mit dem Gedanken traegt, sich der Kommune anzuschliessen, und Twin
>> Oaks hat kein Interesse daran, dass die Leute mit Illusionen eintreten
>> und gleich wieder frustriert das Weite suchen. Die mittlere Verweildauer
>> liegt bei sieben Jahren, wobei aber manche, die Twin Oaks verlassen, in
>> andere communities umziehen und wieder andere in der Gegend und in
>> Kontakt mit der Kommune bleiben. Nicht
>> wenige sind schon 15 und mehr Jahre hier. Schwierigkeiten und
>> Streitigkeiten kann man auf der Farm schwer aus dem Weg gehen.
>> Allerdings sind auch Helfer zur Stelle, ja ein eigenes Group Process
>> Team ist um Loesungen bemueht. Aber zufrieden sind sie nicht mit dem,
>> was sie erreichen. Groessere Projekte wie der Bau neuer Haeuser haben
>> immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen und Trennungen gefuehrt,
>> zerbrochene Liebesverhaeltnisse enden nicht selten mit dem Rueckzug von
>> der Farm. Es gibt einige Einzelgaenger, viele hetero- und homosexuelle
>> Paare, Leute in einer groesseren Gruppe von Partnern oder mit
>> wechselnden Beziehungen. Manche Liierte wohnen in derselben Small living
>> group (8-20 Menschen) Tuer an Tuer, andere in verschiedenen Haeusern -
>> die Kultur von Twin Oaks kennt hier keinen "Pfad der Tugend", aber
>> durchaus die Schwierigkeiten des Experimentierens.
>>
>> Ein Kind/Jugendlicher pro fuenf Erwachsenen ist herrschende "Policy",
>> wenn auch nicht unbestritten. Wer ein Kind will, diskutiert das mit den
>> Leuten vom Child Board, wer einfach so ein Kind bekommt, hat sicher
>> Schwierigkeiten mit etlichen anderen in Twin Oaks. Ohne Reden geht
>> sowieso kaum etwas und auch Kinderkriegen ist nicht einfach Privatsache.
>> In gewissem Sinn sind es die Kinder von allen, denn Kinder pflegen und
>> erziehen ist "creditable", im ersten Jahr im
>> vollen Ausmass, dann degressiv. Auch Kinder erhalten eine mit den Jahren
>> zunehmende "Allowance" und beteiligen sich an den Taetigkeiten auf der
>> Farm. Geblieben ist keines der in den letzten Jahrzehnten hier
>> aufgewachsenen Kinder, wenn auch einige in anderen Kommunen sein moegen.
>> Zur Zeit leben aber zwei Abkoemmlinge von Ex-Members in Twin Oaks.
>>
>> Managers and Planners
>>
>> Twin Oaks entstand - untypisch fuer die Sechzigerjahre - als Umsetzung
>> des utopischen Romans "Walden Two" des Psychologieprofessors B.F.
>> Skinner. Das Meiste wurde bald aufgegeben, geblieben ist das
>> Verwaltungssystem: Entscheidungen werden von "Managern" und "Planern"
>> getroffen. Die Angelegenheiten
>> der Kommune sind in "areas" eingeteilt, die von Managern, die nach
>> verwandten Bereichen "Councils" bilden, bzw. von "Boards", die einige
>> Mitglieder haben,
>> verwaltet und entwickelt werden. Dass dabei fuer die Autoreparaturen
>> eine Frau zustaendig ist, ist in Twin Oaks normal. Der Bedarf an
>> Managern wuerde jedes Mitglied zu einem machen, was aber keineswegs alle
>> wollen und wohl auch nicht koennen, sodass es viele Multifunktionaere
>> gibt. Wichtigere Beschluesse werden auf dem O & I Board vorgeschlagen
>> und diskutiert, durch Beratung mit Betroffenen und Interessierten
>> vorbereitet. Wer trotzdem nicht einverstanden ist, kann beim
>> zustaendigen Council und schliesslich bei den Planern Einspruch erheben.
>> Letztere sind eine Gruppe von drei Leuten, die ueberlappend fuer 18
>> Monate fungieren. Ihre Haupttaetigkeit besteht darin, mit einzelnen und
>> Gruppen ueber Perspektiven, Ueberlegungen, Vorschlaege, Schwierigkeiten
>> und Einsprueche, die die ganze Community betreffen, zu debattieren und
>> auf dieser Grundlage Entscheidungen zu treffen. Wenn diese nicht
>> ausreichend vorbereitet sind, laufen sie Gefahr, von einer
>> Mehrheit der Mitglieder durch eine Unterschriftsammlung auf dem O &
>> I-Board ausser Kraft gesetzt zu werden, was aber selten vorkommt. Auch
>> ihre Nachfolger werden von den Managern und Planern selbst gesucht, der
>> Community zur Diskussion gestellt und schliesslich bestellt. Gegen die
>> Bestellung eines Planers reicht aber bereits ein Veto von 20 Prozent der
>> Members. Der Grund, warum sich diese Form der Entscheidungsfindung gegen
>> andere Modelle wie den Konsens oder die Abstimmung bis heute gehalten
>> hat, liegt wohl darin, dass so jedem Mitglied die Moeglichkeit geboten
>> wird, sich in Dinge jeweils sehr weit oder auch gar nicht einzumischen.
>>
>>
>> Perspektiven
>>
>> Die Antworten auf die Frage, warum wer nach Twin Oaks gezogen ist, sind
>> weit gestreut, Umweltfragen spielen eine Rolle und vor allem der Wunsch
>> nach Gemeinschaft und einem sinnvolleren Leben als in der Arbeitswelt
>> draussen. Die Hoffnung, mit dieser Lebensweise eine neue Gesellschaft
>> zu schaffen, hat im Vergleich zu den Sechziger-, Siebziger- und noch
>> Achtzigerjahren sicher an Zuversicht eingebuesst. Man spuert, dass man
>> am Rand lebt und die Perspektiven einer
>> grundlegenden Aenderung der Gesellschaft hoechst schwierig sind. Fuehrt
>> die schlichte Absicht, das eigene Leben durch den Beitritt zur Kommune
>> zu verbessern
>> in eine Sackgasse oder ist ein Leben in "cooperation, sharing,
>> nonviolence, equality, and ecology" selbst schon "Weltverbesserung"?
>> Umso mehr als jeder Schritt zu auf diese Ziele der realen Entwicklung
>> des Kapitalismus diametral widersprechen. (In verquerer Weise werden
>> Vorzuege der kommunitaeren Lebensweise uebrigens auch von der
>> "Aussenwelt" wahrgenommen: So wenn der oertliche Sheriff feststellt,
>> dass er ueberfluessig waere, wenn im County alle so lebten wie die in
>> Twinoaks.)
>>
>> Muessen die Projekte, um sich auf Dauer behaupten zu koennen, groesser
>> und mehr werden, muessen sie das Oppositionelle ihrer Lebensweise und
>> Kultur staerken
>> und fuer sich als Alternative zum oekologischen und menschlichen
>> Desaster des Mainstreams werben oder kann man sich mit Vorbildwirkung
>> zufrieden geben? Wie dringend ist es, die Konkurrenzfaehigkeit in den
>> business areas zu staerken und weitere aufzutun und wie wichtig ist es,
>> durch Ausdehnung der Kooperation mit anderen Kommunen und lokaler
>> Wirtschaft von Markt und Konkurrenz unabhaengiger zu werden? Und wie
>> wichtig sind Kommunen angesichts der Verwilderung
>> der Geld- und Warengesellschaft? Es waere das erste Mal, wenn es dazu in
>> Twin Oaks nicht sehr divergierende Meinungen gaebe, aber das hat der
>> Haltbarkeit des
>> Projekts ja auch bisher nicht geschadet.
>>
>> Lorenz Glatz lebt in Wien und wirkt in der Redaktion der Zeitschrift
>> "Streifzuege" mit. Er besuchte im Fruehjahr 2005 fuer drei Wochen Twin
>> Oaks. Ausfuehrliche Informationen zu Twin Oaks und Links zu anderen
>> Kommunen sind auf der Website: www.twinoaks.org zu finden.
>>

>>
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>> CONTRASTE - Monatszeitung für Selbstorganisation
>> http://www.contraste.org
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